Dies stellt die Ausformulierung einer Sammlung von Gedanken zum pädagogischen Konzept der Spätsommer-Freizeiten aus einem Online-Planungstreffen im Februar 2022 dar.

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Zielgruppe der Spätsommer-Freizeit

Die Freizeit ist zum einen für junge Erwachsene mit Behinderung, die einen aktiven und erlebnisreichen Urlaub verbringen möchten. Zum anderen ist sie für junge Erwachsene ohne Behinderung, die einen aktiven und erlebnisreichen Urlaub verbringen möchten und dies auch anderen Personen ermöglichen möchten. Grob nehmen 12 Menschen mit Behinderung und 10 Menschen ohne Behinderung teil.

Bei WALTER möchten wir Freizeiten miteinander gestalten.

Gemeinsame Entscheidungen:

Über die Gestaltung der Freizeit, also das Programm, die Aktivitäten, was es zu essen gibt etc. wird gemeinsam in der Gruppe entschieden. Dabei gilt das Prinzip der informierten Entscheidung, d. h. alle Menschen werden im Vorhinein in die Lage versetzt die Entscheidung zu treffen. Dazu werden die anstehenden Entscheidungen begleitet und unterstützt.

Unterstützung zur Partizipation:

Damit alle Menschen sich gleichermaßen einbringen können, benötigen die verschiedenen Menschen auf unserer Freizeit unterschiedlich viel Unterstützung. Manchen reicht es, wenn sie in einer Gruppenrunde gefragt werden (bzw. ist teilweise nicht mal diese Frage nötig). Andere Menschen haben unterschiedliche Gründe sich in einer solchen Runde erst mal nicht zu äußern. Dazu gehören Schüchternheit, eine trotz der Bemühung zu einfacher Sprache, zu kompliziert formulierte Fragestellungen, die Abstraktheit des Sachverhalts sich für die nächsten Tage Programm zu überlegen, wenn es gerade Spannenderes gibt oder die Konzentrationsfähigkeit.

Da wird die Begleitperson relevant. Das sind auf unserer Freizeit die Mitarbeiter*innen. Im Übergabegespräch mit den Eltern werden durch diese bereits Wünsche und Vorlieben erfragt, sofern diese nicht selbst geäußert werden können. Weiterhin wird neben der Frage in die Runde auch durch die Mitarbeiter*innen das individuelle Gespräch gesucht und die Frage nochmal einfacher formuliert und individuell „übersetzt“. Dazu werden Möglichkeiten auf Basis des Vorwissens über die Person angeboten. Die Mitteilung dieser in die Gruppe wird dann wieder unterstützt und bspw. nochmal wiederholt oder an das im Einzelgespräch Gesagte erinnert.

Programmplanung:

Unsere Ansprüche an das Programm sind ein bestimmtes Aktivitätsniveau, die Selbstorganisation des Programms, neue Erlebnisse zu schaffen und weniger passive Bespaßung. Relevant sind erlebnispädagogische Aspekte mit unterschiedlichen Arten von Bewegung, Draußen-Sein, Lagerfeuer, Naturerleben…

Es geht darum auch mal die Komfortzone zu verlassen und in die Lernzone zu kommen.

Das gilt vor dem Hintergrund, dass wir eine gemeinsame Zeit erleben wollen, in der es möglich ist Gruppen- und Gleichaltrigenerfahrungen zu sammeln. Dies verstehen wir im Sinne eines sozialen Miteinanders im Gegensatz zum digitalen oder virtuellen Sein. Dafür steht der Versuch die Gruppe und deren Dynamik hin zu echten Erlebnissen zu motivieren. Ein wesentlicher Bestandteil dessen sind Interessens- und Bedürfnisabfragen und darin gemeinsame Aktivitäten zu finden.

Wichtig anzumerken ist, dass im Zentrum ein schöner Urlaub für alle steht, bei dem der gemeinsame Spaß ganz wichtig ist.

Für die Programmplanung wird bspw. eine Liste mit möglichen Aktivitäten und Ausflügen erstellt. Diese wird auf der Basis der Erfahrungen aus den letzten Freizeitjahren recherchiert. Auf der Freizeit wird den Teilnehmer*innen und Mitarbeiter*innen diese Auswahl in einfacher Sprache vorgestellt. Weiterhin wird offen nach weiteren Programmideen gefragt.

Gemeinsam wird dann aus dieser Sammlung ausgewählt. Falls kein Konsens zustande kommt, werden Kompromisse gesucht bzw. es wird demokratisch abgestimmt. Dafür haben wir uns verschiedene Abstimmungsmethoden überlegt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist dabei, dass Teilnehmerinnen und Mitarbeiterinnen gleichermaßen in ihren Interessen bei der Programm- oder Essensplanung berücksichtigt werden. Bei Abstimmung und in Ideensammlungen können sich also alle gleichermaßen (unterschiedlich unterstützt) einbringen.

Unser Ziel ist es, dass sich die Teilhabe bei der Programmumsetzung fortsetzt. Dass also bspw. Moderationsaufgaben oder Teilaspekte der Organisation von Teilnehmer*innen übernommen werden. Damit werden sie nicht allein gelassen, sondern diese Aufgaben machbar vorstrukturiert.

Essensplanung:

In unserem Selbstversorgungskonzept hat es sich als praktisch erwiesen Essensgruppen aus Mitarbeiter*innen und Teilnehmer*innen zu bilden. Diese entscheiden sich dann in der Kleingruppe für eine Mahlzeit. Die Entscheidungsfindung wird dabei durch offene Fragen, durch Kochbücher oder gemeinsame Recherche im Internet unterstützt. Einigt sich die Gruppe auf ein Essen wird gemeinsam ein Einkaufszettel geschrieben. Beim Einkauf ist diese Gruppe dann zuständig die Zutaten für ihr Essen einzukaufen. Am betreffenden Tag des Essens ist es dann die Gruppe, die hauptverantwortlich in der Küche ist. Sie muss allerdings nicht alles allein machen, sondern kann Aufgaben (Salat waschen, Gemüse schneiden…) an andere Leute delegieren. Die Aufgabe der Mitarbeiter*innen in der Essensgruppe ist es in dem Kochprozess die Aufgaben so konkret zu formulieren, dass eine Entscheidungs-, Mitbestimmungs- und Mitwirkungmöglichkeit der Teilnehmer*innen bzw. aller in der Küche weniger erfahrenen Personen besteht. Insofern ist das Kochen für größere Gruppe auch ein Lernraum für die Mitarbeiter*innen.

Zum Kochen gehört dann auch das bei manchen Menschen weniger beliebte Aufräumen und Spülen. Daran lässt sich gut unser Verständnis einer Freizeit miteinander beschreiben. Es bedeutet im Wesentlichen, dass nicht die Mitarbeiter*innen die Dienstleister*innen für die Teilnehmer*innen im Urlaub sind, sondern dass ein gemeinsamer Urlaub gestaltet wird. Dazu gehört, dass auch die Freizeitaufgaben je nach Möglichkeit von allen erledigt werden. Auch hier ist die Aufgabe wieder an den Mitarbeiter*innen das Aufräumen in so kleinen Teilaufgaben zu organisieren, dass diese verteilt werden können, ohne dabei ein Verständnis des ganzen Aufräumprozesses zu haben. Bei der Umsetzung müssen die Teilnehmer*innen dann so begleitet werden, dass sie die Aufgabe auch erfüllen können. Motivierend hat sich in unserer Erfahrung die Gestaltung des Aufräumens verbunden mit einer Küchenparty und Musikauswahl durch die Teilnehmer*innen gezeigt. Da verschwinden schnell die anstrengenden Anteile des Aufräumens hinter dem gemeinsamen Spaß. Das Prinzip ist dabei also nicht alles möglichst schnell zu erledigen, sondern dieses gemeinsam zu schaffen, auch wenn es vielleicht manchmal etwas länger dauert. Die gute Stimmung hat große Bedeutung. An langen Tagen kommt dieses Prinzip sicher auch an seine Grenzen, aber auch dann kann es zumindest angestrebt werden.

Raum für Beschwerden und Veränderungen:

Auf einer Freizeit ist nicht immer alles in Ordnung. Es gibt auch Probleme und Schwierigkeiten. Da gilt es anhand der bereits beschriebenen Prinzipien und Abläufe auch deren Ansprache in den gemeinsamen Entscheidungskreisen, bspw. dem abendlichem Plenum, zu unterstützen und zu begleiten. Auch hierzu sind die von uns in einem Seminar zum Thema Partizipation erarbeiteten Methoden für Diskussionen und Anregungen zum Beschwerdemanagement hilfreich.

Mitarbeiter*innen:

Die Aspekte gelten auch für Mitarbeiter*innen aus anderer Perspektive. Die Freizeit kann als individueller Lernraum für Mitarbeiter*innen betrachtet werden:

Mitarbeiter*innen treffen auf der Freizeit auf verschiedene Situationen. Dazu gehört die Frage, welche Rolle ein Mensch im Mitarbeitendenteam einnimmt, das sich erfahrungsgemäß aus Menschen aus vielen verschiedenen Hintergründen zusammensetzt.

Mit diesen Menschen gemeinsam im Team stellt sich die Umsetzung der Freizeit als eine große Aufgabe dar. Bei der Umsetzung dieser Freizeit einen relevanten Teil zu übernehmen, schafft Selbstwirksamkeit und Selbstbewusstsein.

Sich selbst lernt eine mitarbeitende Person auf der Freizeit in neuer Umgebung kennen. Das geschieht auf verschiedenen Ebenen. Eine wesentlich ist die Erfahrung der eigenen Grenzen und wie das eigene Handeln unter komplexen Anforderungen stattfindet. Vor allem besteht jedoch die Möglichkeit sich selbst auszuprobieren. Eine Freizeit bietet angefangen bei den Herausforderungen einer individuellen Begleitung der Teilnehmenden über die Arbeit mit Gruppen bis hin zur kreativen Lösung planerischer und organisatorischer Aspekte eine große Auswahl dafür an. Die Folge ist, dass neue Dinge erfahren und Kompetenzen weiter oder neu entwickelt werden. Konkret können darunter folgende ausgewählte Kompetenzaspekte gefasst werden:

  • Offenheit für Neues
  • Reflexionsfähigkeit
  • Begeisterungsfähigkeit
  • Kennenlernen von neuen Aktivitäten und Orten
  • Kennenlernen eines gleichberechtigten Miteinanders
  • (berufs-)praktische Erfahrungen von Windelwechsel bis Schichtplan
  • pädagogische Erfahrungen im Umgang mit Menschen und deren Unterstützung
  • Ausbalancieren von Bedürfnissen von anderen Menschen und sich selbst in Bezug auf eine Gruppe

Raum für Möglichkeiten:

Bezüglich unserer Aktionen und Aktivitäten möchten wir allerdings nicht an dem Punkt stehen bleiben, an dem Altbekanntes immer wieder gemacht wird, weil es beim letzten Mal ja auch gut funktioniert hat. Unser Ziel ist einen Raum für Möglichkeiten zu schaffen, um darin Neues auszuprobieren und zu ermöglichen.